Vom Großstadtjungel in die Provinz

Nun bin ich also wirkich angekommen. Von dem Großstadtjungel Seoul in das winzig-kleine Dorf "Sanan", in der Provinz Gyeonggi-do , südlich von Seoul. Gemeinsam mit zwei anderen Volontären fuhr ich mit der Seouler UBahn zur Station "Sadang" , um dort den Bus richtung Hwaseong / Baran zu nehmen. Hwaseong bzw Baran sind die beiden nächstgelegenen Großstädte nahe Sanan.

In Baran angekommen, holte uns ein Bewohner des Dorfes mit einem Auto ab. Geschafft vom schleppen unseres schweren Gebäcks, wurden wir natürlich im Auto, nachdem wir uns bereits auf Koreanisch vorgestellt hatten, gleich mal auf unsere Koreanisch Kenntnisse geprüft. Der Fahrer war total überrascht, dass ich bereits ein wenig Koreanisch spreche, und war dementsprechend motiviert mit mir zu quatschen ;) . Das ganze wurde dann aber irgendwann ein Englisch/Koreanisch mix, war aber extrem lustig. Nach etwa 20 Minuten durch den, verglichen zu Österreich, völlig verrücktem Verkehrsritt durch die Provinz, kamen wir im Dorf an, und erlebten sofort die erste Eigenheit des Dorfes: Das Auto wurde bei der Einfahrt komplett desinfiziert, unser Gepäck ebenso, sowie unsere Schuhe. Anfangs wussten wir nicht ganz, wieso das eigentlich passiert, der nette Herr erklärte unserer Koreanischen Volontärin (in jedem Projekt arbeitet auch ein Koreaner mit, um Verständigungsprobleme vorzubeugen) , dass man sonst Krankheiten in die Farm einschleppen könnte, also Erreger, die sich irgendwo an der Kleidung oder sonstwo befinden. Das macht ja auch irgendwie Sinn. Vor allem merkten wir bereits, dass unsere Arbeitwohl wirkich zum Allergrößten Teil aus Arbeit und Hilfe in der Farm, und nicht wirkich aus Lehrtätigkeiten bestehen wird. Jedenfalls bedeutet das, dass die Tiere nunmal das Kapital dieser Leute hier ist. Ich glaube, ich muss nicht weiter ausführen, was hier los wäre, wenn das Kapital verendet.

Das Dorf Sanan besteht aus etwa 5 Häusern, in einem davon Leben wir, die Volontäre. Die Zimmer sind für einen Europäer einfach nur Leer. Als ich in mein Zimmer kam, habe ich mich gefragt, wo denn die Einrichtung ist. In meinem Zimmer (etwa 8 Quadratmeter) befindet sich ein Schrank und eine extrem niedrige Anrichte. Kein Bett kein Tisch. Jetzt weiß ich; Boden = Bett, Anrichte = Tisch.


Das Dorf Sanan ist idyllisch. Verschiedenste Blumenarten überall.
Geschlafen wird ganz traditionell auf eine dünnen Matratze . Bisher hatte ich damit Gott sei Dank noch keine Probleme!

Wir lernten die Bewohner kennen, und können uns nicht wirkich beklagen. Alle sind unheimlich nett, freuen sich dass wir Zeit mit ihnen verbringen wollen, und honorieren vor allem sehr unser Interesse an der Koreanischen Kultur und Sprache.
Wir erfuhren außerdem, dass unser freier Tag nun am Mittwoch, und nicht wie geplant, am Sonntag sein wird. Außerdem sind wir am Freitag angekommen, und sollten am Samstag zu arbeiten beginnen. Also erstmal keine Verschnaufpause. Ich muss aber sagen, dass ich die sowieso nicht gebraucht hätte.

Schon als wir angekommen sind, wurden uns die Regeln des Dorfes erklärt, denn nur so funktioniert das Zusammenleben hier. Man muss dazu sagen, dass die Koreanische Kultur sehr auf Harmonie durch eine klare Rangordnung basiert. Das Wohl der Gruppe geht dem Wohl des Einzelnen vor. Ältere Menschen verdienen mit weit mehr Respekt behandelt zu werden als die Jüngeren. Nicht umsonst gibt es in der Koreanischen Sprache mehrere Höflichkeitsstufen, und nicht wie in Deutsch nur Zwei. In Österreich wäre es wohl unhöflich nach dem Namen sofort nach dem Alter zu fragen, hier gehört es aber zum normalen Prozess dazu, die "Rangordnung" klarzustellen, um zu wissen, wie man mit dem denn nun zu sprechen hat. Die Oma's und Opa's hier so anzusprechen wie die Kinder, wäre also eine Todsünde. Als Fremder hat man aber einen gewissen Bonus, und über vieles wird hinweggesehen.

Die Arbeit beginnt für uns um 8. Ab 11 Uhr gibt es dann Mittagessen, und bis 14:00 Uhr wird geruht. Frühstück gibt es nicht, die Dorfbewohner stellen uns aber immer Brot, Butter und Marmelade zur Verfügung, falls wir in der Früh etwas essen wollen. Sie haben ihren ganz eigenen Rythmus, und wissen, dass es für uns vor allem am Anfang schwer ist, diesem zu folgen. Ab 14 Uhr wird dann wieder bis 18 Uhr gearbeitet, wobei wir manchmal auch früher fertig sind, und schon um 17:00 Uhr "frei" haben.
Wir kümmern uns momentan hauptsächlich darum, alles für die neuen Hühner vorzubereiten, denn die Kücken kommen bereits am 3.Oktober. Es gibt eine Menge zu tun, und vor allem die Männer sind ganz froh dass ich da bin, weil ich ihnen bei den schweren Arbeiten helfen kann. Außerdem werden die Hühner gefüttert, Eier gesammelt... alles was so zum Farmleben dazu gehört.

Das mag jetzt vielleicht lächerlich für den ein oder anderen klingen, aber ich habe Spaß bei der Sache, und lerne unheimlich viel. Ich hätte zwar lieber einen Lehrer-Job gemacht, aber ich bin auch nicht nur wegen der Arbeit nach Korea gekommen. Die Erfahrungen die ich hier mit den Leuten mache sind einfach einzigartig und extrem wichtig für meine Persönlichkeit. Ich sehe, wie viel (zusammen-)Arbeit hinter der Farmarbeit steckt.

Es gibt hier einige Kinder, aber leider nur sehr wenige. Wir werden ihnen wohl nur ab und an Englischnachhilfe geben, das wars. Schade. Dafür sind wir umso fleissiger: Mit unserer Koreanischen Volontärin(Ockjin) lernen Angun (weibliche Volontärin aus Indonesien), Akihisa (Japanischer Dorfbewohner, 28) und Ich 3 mal in der Woche Koreanisch. Wir lernen eigentlich aber jeden Tag neue Dinge, und ich schreibe mir ständig Spickzettel und versuche mir neue Dinge zu merken. Anders als in Wien, spreche ich hier jeden Tag Koreanisch, und versuche Englisch soweit wie möglich zu vermeiden. Die Gespräche zwischen Akihisa und mir sind immer recht witzig, weil wir in Koreanisch etwa das selbe Level haben. Mit Hand und Fuß kommen wir da auf lustige Themen und müssen über uns selbst lachen. So üben wir das erlernte durch Konversation und üben die Aussprache. Einfach genial.

Angun und Ockjin in unserem "Klassenzimmer" :-)


Die Bewohner sind natürlich hin und weg dass wir uns da so reinlegen, ständig wird mir gesagt, dass ich schon wie ein Koreaner sei. Vor allem die Großmutter hat's total auf mich abgesehen; wenn wir uns in der Küche treffen (dort wird gemeinsam gegessen), kommt sie mir schon mit einem großen Grinser entgegen und beginnt mich zu loben. Vor allem aber sind sie verwundert, wie gut ich scharfes Essen vertrage.
Dieses Phänomen kommt aber öfter vor. Ausländer werden hier oft fragend angesehen, ob sie denn überhaupt scharf essen können. "Aber natürlich, ich liebe scharfes Essen!" antworte ich dann immer.

Vor zwei Tagen hatten zwei Bewohner Geburtstag, der im Gemeinschaftsraum gefeiert wurde. Angun und ich ergriffen die Chance, um unsere Länder etwas vorzustellen. Die beiden Geburtstagskinder bekamen Süßigkeiten und andere Kleinigkeiten aus unseren Ländern, und Angun war sogar so mutig, ein Indonesisches Geburtstagslied zu trällern - herrlich!

Einem der "Geburtstagskinder" schenkte ich einen Klimt( Der Kuss) Magnet - die Leute waren total aus dem Häuschen, denn hier kennt jeder Klimt. Achja, Hundertwasser scheint auch jeder zu kennen, und viele Koreanische Firmen bewerben Ihre Produkte im Stil der beiden Künstler. Wien ist sehr bekannt, Österreich (Australia) wird aber allzugern mit "Australia" verwechselt. Auch ein Grund, warum ich den Satz "Jeoneun Hojuin aniyeyo" (저는 호주인 안이예요 - Ich bin nicht Australier) schon vor meiner Ankunft hier fest einstudiert habe. Außerdem präsentierte ich eine Österreichische Lederhose und die Österreichische Fahne. Ich sage euch, das waren turbulente Minuten für mich! :-)

Am Mittwoch hatten wir frei, und wir Volontäre unternahmen gemeinsam etwas, aber darüber schreibe ich in meinem nächsten Beitrag (mit vielen Bildern!). Achja, für die Lesefaulen hier nochmal: Ich habe einen "Tumblr" Account, auf den ich ebenfalls viele Fotos hochlade. Da könnt ihr meine Erlebnisse hier in Bildern sehen.

Danke fürs lesen, und sorry, dass es so lang wurde!

Mark



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